Author Archives: Jana Kunath

Von Taten und Lohn

„Ach so!“, sagte er zu mir, „Dann melde ich mich im Basketballverein an. Das ist eine schnelle Teamsportart. Darüber kann ich im Personalgespräch reden und prima zeigen, dass ich mit anderen kann und schnell und entscheidungsfreudig bin.“
Ich schaute ein bißchen wie Kermit, wenn Miss Piggy ihm ungebeten die Sterne vom Himmel holen will. Der junge Mann, Student im letzten Studienjahr, nennen wir ihn Paul, ist klein, eher steif und verschlossen, scheint aber ein beinharten Willen zu haben. Dem nimmt kein Mensch den Basketballspieler ab. Trotzdem möchte er so schnell wie möglich in eine (personal-)verantwortliche Führungsposition. Was er vor allem ist: Der pragmatische Mensch mit den schnellen Lösungen. Das ist schon mal eine ganze Menge.

Stimmt das? Tue ich A, dann folgt daraus mit einiger Wahrscheinlichkeit B? Ich fürchte, es ist nur manchmal so, dass wir die Konsequenzen unseres Handelns sehr schnell spüren – im positiven wie negativen Sinn.
Klar, Kinder und Jugendliche werden erst einmal so konditioniert. Sie sollen sehr schnell lernen, dass jede Tat Folgen hat: Lob oder Strafe, Erfolg oder Scheitern. Wenn wir erwachsen werden, bekommen wir einen Sensus für längere Prozesse und bemerken, dass wir manche Dinge nicht so einfach steuern können, weil zu viel und zu viele daran beteiligt sind. Aus geradlinigen Prozessen, wie „wenn ich ein gutes Abitur mache, bekomme ich meinen Wunschstudienplatz“, werden spätestens mit der ernsthaften Beschäftigungs- und Partnersuche plötzlich komplexe und chaotische Vorgänge. Je erwachsener wir werden und je selbstverantwortlicher, desto weniger ist es langfristig erfolgreich und zufriedenstellend, etwas (gegen unseren Impuls) jemand anderem zu Gefallen zu tun und schnell dafür belohnt zu werden.
Plötzlich wird aus “ Ich tue A und bekomme B“
„Ich tue A und C konnte ich nicht aufhalten, dann wollte ich unbedingt F tun und am Schluss bekomme ich X. Auch nicht schlecht!“
Wie beim Führen eines Schiffes wissen wir das Ziel, den Kurs, beherrschen die Technik und alles andere passiert auf dem Weg: Wir kommen durch Stürme, überdauern Flauten, müssen gegen den Wind kreuzen und erkunden neue Inseln, die uns manchmal auch festhalten, in eine andere Richtung schicken, wer weiß das schon?

Paul habe ich darauf hingewiesen, dass es vollkommen ineffizient ist, Zeit für eine Sportart zu vertun, in der er nicht erfolgreich sein wird, nur um eventuell in einem Vorstellgespräch so etwas erzählen zu können. Das hat er sofort verstanden.

Ratgeber?

Die Ratgebernotizen, die ich hier aufschreibe, sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen. Es sind – sehr persönliche – Betrachtungen zu dem Gebiet, das zu meinem Beruf geworden ist. Diese Plaudereien aus dem Nähkästchen sind mir wichtig, denn ich will meine Beobachtungen gern weitergeben.

Ich bitte darum, keine Texte ohne meine Erlaubnis zu kopieren und weiter zu verwenden. Zitat mit Link und Quellenangabe dagegen ist ok.

Bewerbungsfotos

Auch wenn es außerhalb Deutschlands mittlerweile viele Versuche gibt, Bewerbungen ohne Fotos zum Standard zu erheben, Bewerbungsfotos werden uns noch lange erhalten bleiben.
Ich bin in der Hinsicht zwiegespalten, einerseits verhilft uns die fotofreie Bewerbung zur vorurteilslosen Vorauswahl von Bewerbern, andererseits begegnen wir uns im täglichen Leben auch nicht mit einer Papiertüte auf dem Kopf.
Bewerbungsfotos sind für viele die „Angstkiste“ schlechthin. Man macht sie aus Aufwands- und Kostengründen nicht für jeden Arbeitgeber neu, also besteht die Gefahr – wenn man es jedem recht machen will – gesichtslos angepasst zu erscheinen oder aber – in der Bemühung, authentischer oder auffälliger zu sein – mit der Firmenkultur manches Favoriten zu kollidieren.

Fotograf um die Ecke, Fotoautomat, Selbstauslöser oder teurer Profi? Das kommt auf den Job, die Branche und nicht zuletzt auf die eigene Fotogenität an.
Wer im Job gut bezahlt in der Öffentlichkeit steht, als Moderatorin, Presenterin, Pressesprecherin, Firmen-Repräsentantin oder in einer anderen präsenten Führungsposition, sollte einen Profi bemühen. Schon um zu zeigen, dass die Aufgabe, sich angemessen zu präsentieren, professionell gelöst wurde.
Für alle anderen, so sie nicht völlig verkrampft und/oder ziemlich unfotogen sind, ist weniger oft mehr. Ein klassisches Standard-Bewerbungsfoto reicht zur Information für die Auswählenden (Personalabteilung, Fachabteilung, Chef, Arbeitgeber). Denn es kommt auf die Botschaft „so sehe ich aus, damit Sie ein Gesicht zu den Unterlagen haben“ an, mehr nicht. Im Gegenteil. Eyecatcher, ob männlich oder weiblich, verunsichern oder wecken falsche Erwartungen. – Es hat wohl niemand vordergründig die Absicht, als Amüsement für Vorgesetzte und Kollegen eingestellt zu werden.

Für die Mimik der Bewerbungsfotos gibt es einige wenige absolute Musts:
+ Der Blick muss direkt in die Kamera gehen. Wer den Betrachter nicht anschaut, ist nicht da. (Das Kinderspiel „ich halte  mir die Augen zu und dann verschwinde ich“ hat ernsthafte wahrnehmungspsychlogische Hintergründe.)
+ Auch wenn es anstrengt: Lächeln! Das Mona-Lisa-Lächeln, bei dem die Augen beteiligt sind, reicht meist, totale Gesichtsentgleisung blockiert die Information, wie jemand aussieht und Lachen mit offenem Mund will gekonnt sein, denn zu viele Zähne wirken aggressiv.
+ Freundliche Grundstimmung. Lösen Sie den Impuls aus: Die möchte ich gern kennenlernen. Gerade Männer posen zuviel, mit vorgeschobenem Kinn und gerunzelter Stirn werden Sie auch nicht entschlusskräftiger, wenn Sie es nicht ohnehin schon sind.

In der Kreativbranche gelten andere Regeln, da darf es gern etwas lockerer sein, Hauptsache inspiriert und auffällig. Oder aber extrem unauffällig und fast zufällig geknipst. Auch wenn es so aussieht, als wäre alles möglich, gibt es ungeheuer viele ungeschriebene Regeln. (Schließlich tragen sie alle diese total individuellen Brillengestelle und Trainingsjacken.) Da ist es am besten, wenn man sich die Selbstpräsentationen von Kollegen und Kommilitonen im Netz ansieht und schaut, welche Zufälligkeit gerade en vogue ist.

Das Washington Post-Experiment

2007 machte die Washington Post ein interessantes Experiment mit Joshua Bell. Er spielte in der Metrostation Elephant Plaza, als die Menschen in der morgendlichen Rushhour in ihre Büros eilten. Über tausend Menschen gingen zu ihren hochkarätigen Jobs ins Regierungsviertel an ihm vorbei. Sieben Menschen hielten kurz an, 27 gaben Geld. Die Einnahmen des virtuosen Dreiviertelstunden-Konzert betrugen 32 Dollar.
Keiner war bereit, eine Verspätung zu riskieren, dem besten Geigen-Virtuosen der Welt zuzuhören, der auf einer Stradivari Bach spielte. Der überwiegende Teil der Menschen, die an ihm vorbeigingen, war gebildet, gut situiert und wäre mehr als bereit, eine dreistellige Summe für eine Konzertkarte zu zahlen.

Diese Geschichte beschäftigt mich seit langem. Es gibt wenige Fachleute, die in der Lage sind, Virtuosität zu erkennen. Nur, diese sind nicht Publikum, Kunde oder Käufer. Das sind die Menschen, die an Joshua Bell vorbei hetzten: Im Grunde interessiert, aber orientierungsbedürftig und im Zwang, Prioritäten zu setzen. Sie wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben, wie andere Menschen den Künstler und seine Leistung einschätzen. Sie wollen eine Idee davon haben, was sie für ihr Geld und ihre Zeit bekommen.
Ohne Informationen und ein Setting, das ihnen bekannt vorkommt, sind die Menschen hilflos. Sie sehen einen Straßenmusikanten. Sie bemerken, daß seine Musik wunderbar klingt. Sie sind wahrscheinlich irritiert, denn überragende Qualität ist an diesem Ort nicht zu erwarten. Einige geben Geld, obwohl sie nicht stehenbleiben. Aber niemand ist bereit, für diesen Genuss alle Pläne umzudisponieren.
Die U-Bahn-Station Elephant Castle ist ein Sinnbild für den Markt, auf dem wir unser Können anbieten. Wenn Sie nicht offenbaren, wer Sie sind und was Sie können, vor allem, welchen Wert Ihre Leistung im Wettbewerb mit anderen hat, was Sie einzigartig oder ebenbürtig macht, bekommen Sie allenfalls flüchtige Aufmerksamkeit, verhuschte Anerkennung und leben können Sie davon nicht.

Sorgen Sie dafür, dass man weiß, wer Sie sind, was sie getan haben und was Ihre Talente sind. Seien Sie dort präsent, wo man Sie zu finden erwartet.